Zivilcourage

[Envy]

Ein typisches Szenario:
Man fährt mit der U-Bahn, ist auf dem Weg zur Arbeit, zu Freunden oder ner Party. Die Bahn ist recht voll, alle Gesellschaftsschichten sind vertreten, von Jung bis alt von arm bis reich. Am anderen Ende des Wagons eine Gruppe gröhlender Jugendlicher, welche vielleicht schon angetrunken sind. Auf einmal pöpelt einer aus der Grupe eine der Personen an die ebenfalls in der Bahn sitzt, Gründe sind nicht vorhanden. Nach Beleidigung und Provokation folgt Gewalt, die sitzende person kriegt 'ne Ohrfeige oder schlimmeres.
Zu diesem Zeitpunkt frage ich mich, ob ich eingreifen sollte. Am liebsten würde ich dem Typen eine geben, doch bin ich in der Unterzahl... falsch, eigentlich bin ich bzw. sind die Zivilisten in der Bahn in der Überzahl. Würde jetzt jeder von den Sitzen aufspringen und der Person helfen würde ihm höchstwahrscheinlich nichts passieren.
Doch alle gucken weg, niemand sagt ein Wort, als würde nichts passieren gehen sie ihrem Alltag weiterhin nach, steigen aus oder Unterhalten sich weiter.

Nun frage ich euch, wieso ist das so?
Weshalb interessiert uns das Wohl unserer Mitbürger nicht?
Kann es sein, dass man in Angst leben muss wenn man allein durch die Stadt geht?

Eigentlich wäre es doch unsere Pflicht einzugreifen um Schaden und Verletzungen zu mindern oder gar zu verhindern, oder?

Bin auf Meinungen gespannt.

[Blackrose]

Ich denke, nach dem Vorfall kürzlich in München ist dieses Thema gerade erst wieder in unser Bewusstsein gerückt worden. Aber Bringt es dann wirklich etwas, sein eigenes Leben zu gefährden, nur um andere zu schützen? Genau das ist nämlich der Zwiespalt, der so viele Menschen davon abhält, sich couragierter zu verhalten. Denn wir haben nicht mehr das Zeitalter der Märtyrer, das war vor ein paar Hundert Jahren. Und es gibt genug Beispiele dafür, dass diejenigen, die dann auch mal etwas sagen, schwer zu bezahlen haben. Das gilt nicht nur für die von dir genannten Übergriffe in der U-Bahn oder Ähnliches, sondern treffen in so vielen anderen Momenten des Lebens auch wieder auf uns und stellen uns vor einen inneren Konflikt.

Was man jetzt genau tun soll, wenn man so eine Szene beobachtet, kann ich allerdings such nicht sagen. Selbst wenn man sich selber gute Chancen ausrechnet, so kann das gegenüber doch immer noch aus der Hinterhand ein Messer oder Ähnliches ziehen und schwupps – hat man es in der Brust stecken. Es ist, wie bei so vielen Sachen, eine Gratwanderung. Und man sollte wirklich immer bedenken, dass man auch auf sein eigenes Leben und seine eigene Gesundheit Rücksicht nehmen sollte.

Dass man nirgends mehr sicher unterwegs sein kann, kann ich nicht bejahen. Man hat in verschiedenen Studien schon heraus gefunden, dass sich diese Täter gezielt die Opfer aussuchen, die schwächer sind und sich nicht wehren würden. Und ich denke, dass jeder von uns schon mal so eine Art Training, ob nun SMOG oder irgendwas in der Art mitgemacht hat. Wenn nicht, sollte man das auf jeden Fall nachholen, denn in solchen Situationen zählt vor Allem das Selbstbewusstsein. Klar kann man auch sagen, ich fahr keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr, weil da das Risiko zu groß ist, aber kann man nicht genauso auf der Autobahn einen Unfall haben oder von einem Geisterfahrer erwischt werden? Ich denke, die Risiken sind ähnlich groß.

Was ich euch vielleicht noch auf den Weg geben möchte – eine der sichersten Methoden in solchen Situationen ist es auf jeden Fall, Hilfe zu rufen. Am besten, ohne dass die Täter es bemerken. Denn das eigene Leben ist wichtig und man sollte darauf achten, es zu schützen. Polizei oder Sicherheitsdienst sind oft nicht weit von sozialen Brennpunkten entfernt und solange man ein Handy dabei hat, sollte es auch kein Problem sein, diese zu informieren. Gleiches gilt außerdem auch für Schlägereien in Discos oder auf der Straße.